Ausgangssituation

Die europäische Doppelstadt Frankfurt (Oder) / Słubice wächst immer mehr zusammen und wird smarter. Sie nutzt innovative Technologien, um aktive Bürgerbeteiligung, einen attraktiven Innenstadtraum und wirtschaftliche Dynamik zu befördern sowie die Verbindung und den aktiven Austausch beider Städtezu stärken. Mit diesem Prozesspapier beschreiben wir unseren Weg zu dem Ziel, einen modernen und innovativen, Grenzen überwindenden kommunalen Raum zu schaffen. Wir sind die Stadtverwaltung Frankfurt (Oder) zusammen mit der Frankfurter Dienstleistungsholding (FDH) und der European New School of Digital Studies (ENS).

Das Prozesspapier reagiert auf die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten, die sich durch die zunehmende Investitionstätigkeit im regionalen Umfeld eröffnen und weist einen Weg, um die Doppelstadt zu einem noch attraktiveren Standort zu machen. Es greift die digitalen Möglichkeiten der Entwicklung von grenzüberschreitender Stadtgesellschaft und kommunaler Demokratie auf und verbindet beides zu einem integrierten Ansatz smarter Stadtentwicklung. 

Dieses Prozesspapier setzt auf der Smart City Charta der Bundesregierung auf und wendet seine zentralen Leitideen auf den Handlungsplan der Doppelstadt an. Hierzu begründet das Papier ein Leitbild, identifiziert prioritäre Handlungsfelder und leitet konkrete Projekte ab.

Die Beförderung der Lebensqualität für alle Bürgerinnen und Bürger und eine neue wirtschaftliche Dynamik stehen hierbei gleichberechtigt nebeneinander und werden als sich wechselseitig bestärkend verstanden. Der Prozess basiert auf vier zentralen Befunden, die im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses von Expert*innen und Bürger*innen gewonnen werden konnten. Diese sind:

Das Bewußtsein

, dass die Doppelstadt bereits heute viele smarte Elemente aufweist. Hierzu gehören u.a. das Frankfurter Bürgerbudget, die intelligente Verkehrsführung an der Leipziger Straße, das gemeinsam vom IHP – Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik und der Universität Zielona Góra aufgebaute drahtlose Sensornetzwerk für die Entwicklung eines Frühwarnsystems bei Hochwasser und extremen Regenfällen, der laufende Breitband-Ausbau und die Bereitstellung von freiem WLAN an zentralen Orten der Stadt, das eingeführte und etablierte Handy-Parken, bestehende Schüler-Seniorenpatenschaften, die von der Verbraucherzentrale entwicklten digitalen Tools zur Unterstützung von Zuwanderern und die StadtApp. Auch die Wissenschaft ist mit der Europa-Universität Viadrina (EUV), dem Collegium Polonicum (CP) und der European New School of Digital Studies (ENS) sowie dem Leibniz-Institut für innovative Mikroelektronik (IHP) stark aufgestellt. „Smart City“ bedeutet daher keinen Neustart, sondern die konsequente Fortsetzung des Entwicklungswegs der zurückliegenden Jahre.

Die Erkenntnis

, dass Technologie kein Selbstzweck ist, sondern an den Bedürfnissen der Bürger*innen ansetzen muss. Die Doppelstadt ist sich bewusst, dass neue Technologien auch neue Herausforderungen schaffen können und dass digitale Instrumente sensibel für Probleme der Ausgrenzung, der beabsichtigten oder unbeabsichtigten Überwachung und den Schutz der Privatsphäre sein müssen. Technologie dient dazu, die Lebensqualität zu erhöhen und die aktive Bürgerbeteiligung zu befördern.

Die Überzeugung

, dass die räumliche Verortung der Doppelstadt in den Metropolregionen Berlin-Brandenburg und Poznań, an der Schnittstelle transeuropäischer Verkehrskorridore sowie an der Grenze zwischen Polen und Deutschland eine hervorragende Ausgangsposition und ein attraktives Alleinstellungsmerkmal bietet, um den Wirtschaftsraum weiter zu stärken und die Stadt zu einem noch attraktiveren Wohnstandort weiter zu entwickeln.

Der klare politische Wille

, die historisch begründete Teilung der Stadt und der Region durch konsequenten und intensiven Austausch zu mit einem europäisch geprägten Regionenbild zu überwinden und eine gemeinsame Perspektive für die Zukunft im Sinne der europäischen Idee als Doppelstadt produktiv zu gestalten. Mit der Grenzziehung an der Oder wurde nach dem Zweiten Weltkrieg ein zusammenhängender sozialer und wirtschaftlicher Raum getrennt. Der EU-Beitritt Polens und die Mitgliedschaft beider Länder im Schengen-Raum haben die politischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass diese Trennung im Rahmen der deutsch-polnischen Zusammenarbeit überwunden und Frankfurt- Słubice zum Symbol und Erfahrungsraum für die deutsch-polnische Kooperation werden kann. Smarte Technologien vertiefen die seitdem wiederaufgebauten Verbindungen und erweitern sie.

In diesen Prozess ist eine wissenschaftliche Umfrage zu Bedarfen und Präferenzen der Bürger*innen zur Umsetzung einer Smart City für die Doppelstadt eingeflossen, die durch die Europa-Universität Viadrina im Sommer und Herbst 2021 durchgeführt wurde. Die Ergebnisse der Umfrage werden in den Kapiteln im Anschluss an die beschriebene Ausgangslage integriert. Zur Methodik ist auf Anhang 1 verwiesen.